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Bremen: Rathaus (Bildrechte: LfD Bremen, Christian Richters)

04.10.2022

Von der Bauordnung zur Umbauordnung: F.A.Z.-Artikel vom 30.9.2022

Neubauten sollen die Ausnahme werden - Ein Paradigmenwechsel in der Bundespolitik

Die bauordnungsrechtliche Privilegierung von Neubauten soll nach dem Willen der Bundesregierung beendet werden. Auslöser ist das klimapolitische Ziel, in viel stärkerem Maße als bislang die CO2-Bilanz baulicher Maßnahmen in den Blick zu nehmen und einmal verbaute Ressourcen im Bestand zu erhalten.

Zur kurzfristigen Erreichung dieser „Bauwende“ ändert der Bund seine Förderpolitik zum energieeffizienten Neubau sowie zur energetischen Sanierung drastisch. Nach dem Kabinettsbeschluss vom 27. Juli 2022 zum Klima- und Transformationsfonds sollen Sanierungen von 2023 an jährlich mit 13 Milliarden Euro gefördert werden, während die Förderung von Neubauten auf 1 Milliarde Euro gekürzt sowie auf zinsgünstige Kredite umgestellt wird. Zur Einordnung dieser Kehrtwende: Für 2022 geht die Bundesregierung noch von einer Neubauförderung im Umfang von rund 11 Milliarden Euro aus.

Spezifische „Umbauregelungen“ sollen eingeführt werden

Ordnungsrechtlich soll die Bauwende vor allem durch Änderungen bei den Landesbauordnungen umgesetzt werden. Hierzu liegen seit 2021 konkrete Umsetzungsvorschläge des Vereins Architects for Future Deutschland vor. Kernpunkt der Änderungsvorschläge ist die gesetzliche Ausweitung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum baulichen Bestandsschutz für Maßnahmen an Bestandsgebäuden.

Ferner sollen in den Bauordnungen spezifische „Umbauregelungen“ eingeführt werden, die sich von den Vorgaben für Neubauten unterscheiden, um den Zwängen besser Rechnung zu tragen, die sich aus dem tatsächlich vorhandenen Bestand ergeben. Dies betrifft vor allem die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an den Brand- und Schallschutz, an die Barrierefreiheit und die Erschließung mit Aufzügen. Die bislang mathematisch berechneten Vorgaben zur Einhaltung von Abstandsflächen sollen für Maßnahmen an Bestandsgebäuden gelockert und durch eine Verpflichtung zu einer qualifizierten Freiflächenplanung ersetzt werden. Entscheidend soll nicht mehr die zentimetergenaue Wahrung des Abstandsflächenrechts als nachbarlich einklagbares Recht sein, sondern die Schaffung „gesunden“ Wohnraums durch ausreichende „Freiräume“ am Gebäude. Besonders weit reichen die Änderungsvorschläge in Bezug auf die Herstellungspflicht von Kfz-Stellplätzen auf dem Baugrundstück. Die seit der Reichsgaragenverordnung bekannte und bis heute im Kern in den meisten Landesbauordnungen enthaltene Stellplatzpflicht soll gänzlich in der Musterbauordnung entfallen. Der Wegfall soll kompensiert werden durch übergeordnete Mobilitätskonzepte der Kommunen mit einer klaren Priorisierung von ÖPNV und Fahrrad.

Die Bundesländer werden sich dieser Entwicklung schon aufgrund der massiv geänderten Förderkulisse des Bundes auf Dauer nicht verschließen können, wenn es überhaupt noch relevante Bautätigkeit geben soll.

(Quelle: "Neubauten sollen die Ausnahme werden", Thomas Schröer, F.A.Z. 30.9.2022)