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Bremen: Rathaus (Bildrechte: LfD Bremen, Christian Richters)

20.12.2023

Institutionen des Denkmalschutzes und der Architektur rufen auf: Rettet die Baudenkmale der Nachkriegszeit im Saarland!

Aufgrund alarmierender Nachrichten über den Umgang der saarländischen Landesregierung mit den denkmalgeschützten Bauten der Nachkriegszeit rufen regionale Akteure aus Architektur, Baukultur, Landesgeschichte an der Saar sowie des Denkmalschutzes nach einer Krisensitzung am 21.11.2023 die Landesregierung zu einem öffentlichen Dialog auf, um den Wert und die Erhaltungsmöglichkeiten der historischen Bauwerke zu diskutieren.

Mit einer öffentlichen Debatte sollen die kulturellen und klimapolitischen Chancen des landeseigenen Denkmalbestands verdeutlicht und die geplanten Kahlschläge in der saarländischen Denkmallandschaft abgewendet werden:

  • Der Flugzeughangar des ehemaligen Flughafens Saarbrücken St. Arnual, vom französischen Gouverneur Gilbert Grandval 1946 in Auftrag gegeben, wurde bereits ohne zwingenden Grund abgerissen.
  • Das Finanzamt Saarbrücken, das erste nach dem Zweiten Weltkrieg errichtete prominente Gebäude in Saarbrücken soll abgerissen werden.
  • Der Bauunterhalt des Ministeriums für Bildung und Kultur, des sogenannte Pingusson-Gebäudes, wurde während des nunmehr zehnjährigen Leerstandes eingestellt und das Gebäude dem Verfall preisgegeben.
  • Bei dem weltweit einzigartigen Bau der Mensa der Universität des Saarlandes des Architekten Walter Schrempf und des Künstlers Otto Hajek (BDA Preis 1969) wird ebenfalls über einen Abriss diskutiert.
  • Die ikonische Autobahnraststätte Goldene Bremm (BDA Preis 1969), einstiges Aushängeschild an der deutsch-französischen Grenze, verfällt leerstehend seit mehr als zwei Jahrzehnten. Saarländische Baukultur ist europäisches Kulturerbe – ihr Abriss wäre ein Verlust von maßgeblicher Geschichte und Identität der Region

Die zum Abriss stehenden Denkmale sind Ikonen der saarländischen Baukultur der Nachkriegszeit und steinerne Zeugen der Zeit, in der die saarländische Architektur als deutsche Avantgarde galt, ein architektonisches Lesebuch der Landesgeschichte des Saarlandes. Sie sind in der
Bundesrepublik einzigartige und für das Saarland wertvolle Zeitzeugen seiner Geschichte und damit von hoher, identitätsstiftender Bedeutung im Aufbruch des Saarlandes nach Europa. Der Erhalt dieser Zeitzeugen passt daher hervorragend in die Frankreichstrategie der saarländischen
Landesregierung. Sanierung und Revitalisierung dieser Bauten helfen, die von auswärtigen Besuchern wahrgenommenen und kritisierten Defizite der Ortsbilder saarländischer Städte zu beheben und das touristische Profil - wie von der IHK gefordert - zu schärfen. Ihr Erhalt ist deswegen im Interesse der Öffentlichkeit und ein wichtiger Bestandteil der Landesgeschichte. Der verantwortungsvolle Umgang der öffentlichen Hand mit denkmalgeschützten Bauten dient darüber hinaus als vorbildhaftes Beispiel für Baudenkmäler, die sich in Privateigentum befinden.

Bauwende erforderlich, denn Bauen im Bestand ist nachhaltig und ressourcenschonend

Auch aus Gründen der Nachhaltigkeit ist ihr Erhalt wichtig: ein Neubau benötigt fast immer um ein Vielfaches mehr Ressourcen und Energie als das Bauen im Bestand, dies ist unstrittig. Reparaturen, Umbauten und Ertüchtigungen von Bestandsgebäuden anstelle von Neubauten sind
ein großer Hebel zu mehr Klimaschutz – denn so werden Ressourcen, Baugrund und Baumaterialen optimal genutzt. Aktuell sind auf den Bausektor in Deutschland rund 90% der Rohstoffbedarfe, 55% der Abfallmenge und 40% der Emissionen zurückzuführen. Ein Umdenken1
hin zu einer Umbaukultur ist daher ein entscheidender Schlüssel für den Klimaschutz. Zudem schont das Bauen im Bestand den Verbrauch neuer Flächen.

Denkmalschutz ist Klimaschutz
Denkmalschutz hat hier eine Vorbildfunktion, weil er per se ein im Kern nachhaltiges Prinzip ist. Jedes Gebäude, das nicht abgerissen und neu errichtet wird, hilft dabei, die den bestehenden Gebäuden innenwohnende Energie zu bewahren und so den CO2-Ausstoß zu verringern.
Anstatt die vorhandene Bausubstanz zu pflegen und zu warten, sind zahlreiche bedeutende landeseigene Bauten in einem desolaten Zustand. Trotz des Leerstands der Gebäude entstehen dabei maßgebliche Unterhalts- und Sicherungskosten, für das Ministerium für Bildung und Kultur
(Pingusson-Bau) beispielsweise fallen allein für die Miete des Ausweichquartiers 1,4 Millionen Euro pro Jahr an (SR: 10/23). Die Denkmalschutz- und Architekturakteure rufen daher eindringlich dazu auf, denkmal- und klimaverträgliche Lösungswege fachlich und sachlich öffentlich mit einer Expertenrunde zu diskutieren.

Anwesende Vertreter der Landesverbände BauKultur, Denkmalschutz und
Landesgeschichte Saar:

  • Landesdenkmalrat des Saarlandes, Henning Freese (Vorsitzender), Ruth Bauer (HVS), Prof. Markus Otto (AKS), Prof. Dr. Ulrich Pantlev (HTW)
  • Arbakus e.V. – ‚Archiv für Architektur und BauKultur Saar Großregion‘, Dr. Mona Schrempf, Carsten Diez
  • BDA Bund Deutscher Architekten und Architektinnen Saar, Mario Krämer, Stefan Kalkoffen
  • Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Ortskuratorium Saarbrücken, Ortskurator Prof. Markus Otto
  • Historischer Verein für die Saargegend e.V., Ruth Bauer
  • htw saar / Schule für Architektur Saar, Prof. Heiko Lukas, Prof. Jens Metz, Prof. Dr. Ulrich Pantle
  • Kommission für Saarländische Landesgeschichte e.V., Ruth Bauer, Dr. Wittenbrock
  • Saarländischer Verein für Denkmalschutz e.V., Heidi Kügler
  • Städtebaubeirat in der Stadt Saarbrücken, Carsten Diez
  • dwb werkbund saar, Oliver Brünjes, Marlen Dittmann